Mittwoch, 8. April 2015

Vor einigen Jahren habe ich mal eine Kritik von In & out Veröffentlichungen auf LP geschrieben. Für welche Zeitschrift weiss ich nicht mehr - Analogue Forum ???. 
Vielleicht möchte doch jemand das lesen??

Buster Williams:  Something more

In & Out Records IOR 7004-1

Shunzo Ohno tp / Wayne Shorter ts,ss / Herbie Hancock p,keyboards / Buster Williams b / Al Foster dr

Air dancing / Christina / Fortune dance / Something more / Decepticon / Sophisticated lady / CD only: I didn't know what time it was (14:28)

rec. Van Gelder Studio, NJ  8.+9.3.1989
Time: 44:07
prod. Buster Williams

Bisher kannte ich Buster Williams lediglich als soliden, kompetenten Bassisten, der sich von den Zwängen des reinen Taktgebens befreit hat und unzähligen Formationen insgeheim seinen Stempel aufgedrückt hat. (Sie werden erstaunt sein, bei wie vielen LP's Ihrer Sammlung der Bassist Buster Williams heißt!) Hier beweist er, daß er daneben auch ein eigenständiger Komponist ist. Kennzeichnend dafür ist auch die Zurückhaltung von Wayne Shorter - selbst ein Viel-Schreiber und von Herbie Hancock. Die Titel geben Zeit, sich in die Kompositionen zu vertiefen, sind nie langweilig, keiner der Solisten spielt sich egozentrisch in den Vordergrund. Zuhören wollen und können alle Beteiligten, sollten auch die Hörer. Wer's nicht mehr kann im Zeitalter von Clips und Chips, hat die Chance es wieder zu lernen. Sie bzw. er muß nur "Something more"auflegen.
Über das Studio und die Qualität des früheren Optikers Rudy van Gelder ist genug geschrieben worden. Excellent, warm und weich sind die Attribute, auch der Klangteppich des Keyboards bereitet keinerlei Probleme. Die Substantive Druck und Durchsichtigkeit beschreiben das Klangbild meiner Ansicht nach am besten. Herzlichen Glückwunsch zur Produktion und "Etwas Mehr" bitte!

Roots: Saying Something

In & Out Records IOR 77031-1

Arthur Blythe as / Nathan Davis ts,ss / Chico Freeman ts,ss / Benny Golson ts / Kirk Lightsey p / Buster Williams b / Ed Thigpen dr

Lester left town / Samba for now / Night dreamer / Ballads for Trane: It’s easy to remember - Soul eyes - You leave me breathless - In a sentimental mood - How deep is the ocean / Heaven dance / Toku-du / Lester leaps in / LP only: Free again (9:00)

rec. Live at Muddy’s Club, Weinheim, D 14.6.1995
Time:  76 min
prod. Mike Hennessey

Dies ist eine weitere Veröffentlichung der Gruppe Roots, die den großen Saxophonisten des Jazz gewidmet ist. (auch die andere erschien unter dem Titel "Stablemates" bei In & Out). Es wäre sicher verführerisch gewesen, die bekannten Stücke Note für Note nachzuspielen. Dieser Gefahr nähern sich alle Tenöre in keinem der Titel. Jedesmal werde neue "Stories" erzählt. Der musikalische und soziale Background der Beteiligten ist ja auch nicht nur später, sondern auch anders angesiedelt. Die Live-Aufnahme offenbart die elektrisierende Stimmung, die zwischen den Musikern und dem Publikum in dem kleinen Club in Weinheim geherrscht hat. Alle Themen wurden bereits in anderen Formationen in den letzten 60 Jahren aufgenommen; hier gewinnen sie durch das Pfeffer und die Eleganz in den Improvisationen - und natürlich auch die unwöhnliche Klangkombination mit 4 Saxophonen. Keiner hat Zeit zur Ausruhen, alle verlangen sich das Höchste ab und heraus kam eine kraftvolle, bodenständige (Roots!) aber nie plagiatenhafte Platte. Es liegt nahe, John Coltrane, Benny Golson, Charlie Rouse, George Adams und Wayne Shorter die Referenz zu erweisen. Welchen Saxophonisten wird bei der nächsten Produktion gehuldigt?


Woody Shaw:  In your own sweet way

In & Out Records IOR 7003-1

Woody Shaw tp,flh / Fred Henke p / Neil Swainson b / Alex Deutsch dr

The organ grinder / In your own sweet way / The dragon / Just a ballad for Woody / Sippin’ at bells / Estate / CD only: Joshua C. (13:32)

rec. Live at Bazillus, Zürich,CH 7.2.1987 und Mühle Hunzigen, Rubigen, Bern,CH  8.2.1987
Time: 49:04
prod. Frank Kleinschmidt

Eine Frage kann nie bis heute - fast 10 Jahre nach seinem tragischen Tod - niemand beantworten: 1970 mit 25 Jahren zum größten Trompeter-Talent von den Kritikern im Down Beat gekürt, mehr als 20 Jahre aktiv in allen Clubs und Festivals der Welt, mitgewirkt bei mehr als 100 LP's und immer noch ein "Musicans' Musican? Ein paar mediengerechte Assessoires haben gefehlt: Wenn er vielleicht besser gleichzeitig ein Schuh- oder Modefetischist gewesen wäre, wie ein anderer erfolgreicherer Trompeter? Diese LP - live im wiedereröffneten Bazillus mitgeschnitten - ist nicht die erste, meiner Ansicht nach aber die beste - die beweist, daß Inspiration und Einfallreichtum gepaart mit einer Supertechnik eben doch allein nicht ausreicht, um dem breiten Jazzpublikum den Griff in die Geldbörse zu erleichtern. Liest man auf der Coverrückseite die begeisterten Kritiken der Musiker von Miles bis Dizzy und hört dazu die gelungene Mischung aus Standards und Eigenkompositionen, wird der Verlust, den die Jazzgemeinde mit dem Tod von Woody Shaw erlitten hat, erst richtig bewußt. Leider war er eben keine "voice of the future", wie Dizzy enthusiastisch ausgerufen hat. Von den Titeln und den Musikern möchte ich bewußt keinen herausheben. Alles ist geschlossen aus einem Guss; dazu paßt auch die Superpressung der LP. Die CD liefert einen weiteren Titel, eine weitere "story", von denen Woody Shaw in jedem Konzert ein ganzes Dutzend abgeliefert hat. Von welchem anderen Trompeter kann man das sonst noch sagen?


Karl Berger:  Conversations

In & out Records IOR 77027-1

Karl Berger p,vib + Carlos Ward as,fl / Dave Holland b / Mark Feldman violin / Ray Anderson tb / Ingrd Sertso voc / James Blood Ulmer g

At last / Presently / Loverman / Bemsha swing / Why is it that it’s not / North / Out there alone / St.Thoms / Still / Another / South / Freedom - Getting there

rec. Tedesco Studio, NJ  11.-14.3.1994
Time: 71:02  Do-LP
prod. Karl Berger & Frank Kleinschmidt

"Konversation" ist meiner Ansicht nach zuwenig gesagt. "Kommunikation" und zwar nicht digital und ohne neue Medien ist bei diesem Doppelalbum die Parole. Karl(-Hanns) Berger, einer der wenigen deutschen Musiker, der in der US-Scene Fuß fassen konnte, ist zurückgekehrt und hat sich fulminant zu Wort, besser gesagt zum Ton (Klavier oder Vibraphon) gemeldet. Das Woodstock Workshop Orchester mit seinen Weltmusik Anklängen und türkischen vertrackten Rhythmen bei seiner Europatournee 1979 kennzeichnete den einen Pol seiner musikalischen Vielfalt, diese Duo-Begegnungen sind für mich mindestens genauso aussagekräftig. Er hat sich ja auch mit Partnern/Partnerinnen umgeben, die den Kompositions- und Rhythmusideen nicht blind folgen, sondern Gegenstimmen, andere Pointierungen entwickeln. Dies fällt besonders bei den Eigenkompositionen ins Gewicht, worauf Karl Berger in allen Plattenproduktionen (nach meiner Schätzung etwa 50 an der Zahl) immer mehr Wert gelegt hat als auf das Wiederkauen von Standards. Seine eigenen Worte: "Das großartige an Duetten ist, wenn man 3 oder 4 mal richtig zuhört, stellt man fest, was innerhalb der Musik passiert" belegen, wie wichtig ihm diese kommunikative Kleinformation ist, wieviel sie aber auch vom Hörer abverlangt. Muzak-Musik ist das sicher nicht, eher eine willkommene Abwechslung im Hard-Bop-Einheitsbrei der 90-iger Jahre. Der Firma In & out Records sollte man durch den Kauf dieser sehr feinfühlig aufgenommenen Musik Mut für weitere ähnliche Produktionen machen. Und hoffentlich werden diese auch in Zukunft auf so sauberem Vinyl veröffentlicht.


Art Blakey’s Jazz Messengers:  The Art of Jazz

In & Out Records IOR 77028-1

Art Blakey dr + Terrence Blanchard tp / Freddie Hubbard tp / Brian Lynch tp / Frank Lacy tb / Curtis Fuller tb / Donald Harrison as / Jackie McLean as / Javon Jackson ts / Benny Golson ts / Wayne Shorter ts / Geoff Keezer p / Walter Davis jr. p / Buster Williams b / Roy Haynes dr / Michele Hendricks voc

Two of a kind / Moanin’ / Along came Betty / Lester left town / Mr.Blakey / Drum duo / Blues march / Buhaina’s valediction / Interview

rec. Leverkusen, D 9.10.1989
Time: 60:38 + Interview 12:49
prod. Mike Hennessey

Ein echtes "Work of love" für Missus Blakey only bambini "Arturo" aus Pennsylvania. Eine Geburtstagfeier, bei der der Gefeierte mitarbeiten muß? Oder ist das etwa keine Arbeit gewesen, was der immer gut gelaunte uns in den letzten 50 Jahren in die Ohren getrommelt hat? Ich werde für den Rest meines Lebens nie vergessen, wie selbstverständlich er mir ein Plattencover mit seiner Unterschrift vergoldet hat, dabei auf seinem Bett sitzend seinen Sohn streichelte, darauf wartend, daß endlich der Frank Kleinschmidt, zu der Zeit noch im Tourmanagement aktiv, die drums anbringe, daß er loslegen könne! (Wieviel goldene Schallplatten hätte er wohl verdient, wenn man die Tausende von Schlagzeuger im Pop, Soul und Jazz zählen würde, die ohne ihn Paiste mit einer Pasta, high-hats mit Zylindern verwechseln und eine Cymbal für eine türkischen Messingpfanne halten würden?)
Dank In & Out und dem Kritiker und Produzenten Mike Hennesey kann man in alle Ewigkeit die Geburtstagsfeier beim Leverkusener Festival nacherleben. Bereichert noch um ein Interview. Die Zahl der gratulierenden Musiker hätte eigentlich so groß sein müssen wie die Zahl der ZuhörerInnen, soviele Jazzmessengers gab es zwischen 1953 und 1989. 99% von ihnen haben erfolgreich Karriere gemacht - welcher andere Bandleader kann das von sich sagen? "Hard-bop" bedeutete bei Blakey auch immer "Hard-school".
Das umfangreiche Booklet mit dem gekonnt formulierten Text von Mike Hennessey sollte man in einer ruhigen Stunde genießen, damit die Musik keine Ablenkung erfährt. Ein teures, ein wertvolles Tondokument, dem zu wünschen ist, daß es in viele Privat-Sammlungen und öffentliche Bibliotheken Einlaß findet.


Lucas Heidepriem  Voicings

In & Out Records 7011-1

Lucas Heidepriem tb / Uli Möck p,keyboards / Karo Höfler b / Martin Hug dr

Giovanni / When elephants fall in love / Never did it / Voicings / Stella by starlight / Jazz oder später / For Albert

rec. Carlren Studios, Freiburg,D  1991
Time: 48:44
prod. Frank Kleinschmidt

Dass die Firma IN & Out die "Regio Dreyeckland" nicht vergessen hat, beweist die LP mit einem der 3 Musiker-Söhne des Pianisten Waldi Heidepriem (erinnert sich noch jemand an die Modern Jazz Group Freiburg? Ich suche deren EP immer noch für meine Sammlung!). "Voicings" als Überschrift für eine Posaunen-LP ist sicher eine gewagte Akzentuierung bei einem Instrument, was nicht gerade für eine große Stimmungsbandbreite eine Garant sein kann. Das Versprechen wird mehr als eingelöst! Der große Albert Mangelsdorff läßt grüßen und sein mehrstimmiges Spiel wird im Posaunenchor (Overdub) nachgebildet. Mit seiner ersten (bisher einzigen?) LP beweist Lucas Heidepriem jedoch, daß er nach den Lehr- und Wanderjahren gelernt hat, auf die eigene Fähigkeiten zu bauen. So gelingt ihm mühelos selbst die Rückführung des Standards "Stella" auf das ursprünglich in der Komposition vorgegebene langsame Tempo. Ein Vergleich LP - CD muß entfallen: Die LP ist satt und sauber ohne Knistern und Knacken und fordert das Hörerlebnis im High-End-Format geradezu heraus.


Chico Freeman: Sweet Explosion

In & Out Records IOR 7010-1

Chico Freeman ts,ss,synthophone, IVL Pitchrider / Delmar Brown keyboards,p,voc / Norman Hedman perc / Alex Blake b,e-b / Tommy Campbell dr

Peaceful heart / Exotic places / Afro tang / My heart / Pacifia I,II & III / CD only: Read the signs (10:37) / On the Nile (12:06)

rec. Ronnie Scotts, London, GB  April 1990
Time: 51:15
prod. Chico Freeman & Norman Hedman

Ich muß zugeben, die Besprechung dieser LP hat mir von allen die größte Mühe bereitet: Nicht weil Chico Freeman musikalische Defizite hätte, nicht weil die Begleiter ihr Handwerkszeug nicht beherrschen würden und auch nicht, weil die LP technische Mängel aufweisen würde. Weil mir Alles zu glatt daherkommt. Es fehlen die spitzen Ecken, das, was mit Expressivität, mit Individualität umschrieben wird. Meine Erwartungen sind bei einem Saxophonisten diesen Kalibers vielleicht zu hoch, warum soll er nicht mit Eingängigem, mit Ohrwürmern ohne Windungen und Spiralen die Kids zum Jazz-Hören und -Entdecken bringen? Bildlich ausgedrückt: Stellen Sie sich eine DNA-Doppelhelix vor, die in die Länge gezogen, ihre Mehr-Dimensionalität verloren hat und Sie kennen den Weg von Chico's India Navigation LP von 1977 bis zu "Sweet Explosion von 1990.  Vielleicht ist es eine Frage des Alterns: aber ich fühle mich nicht auf ein anderes "level" gehoben, wie in den liner-notes versprochen wird. Technisch gibt es auch hier nichts auszusetzen, auf die 2 zusätzlichen Titel der CD muß der Analog-Freak verzichten. Rundherum sicher die eingängiste aller IN & OUT Produktionen!


Nat Adderley Quintet:  We Remember Cannon

In & Out Records IOR 7012-1

Nat Adderley cornet / Vincent Herring as / Art Resnick p / Walter Booker b / Jimmy Cobb dr

I’ll remember April / Unit 7 / Talkin’ about you, Cannon / Work song / Soul eyes / Stella by starlight / CD only: Autumn leaves (13:51)

rec. Live at the Moonwalker Club, Aarburg,CH  18.11.1989

Time:  52:23
prod. Mike Hennessey

Es ist sicher ein gewagtes Unterfangen, eine Formation unter dieser Flagge zusammenzustellen und zu präsentieren: Julian "Cannonball" ist durch Nichts und Niemanden zu ersetzen. Auch wenn dieser "Niemand" die Kraft, den Einfallsreichtum, die Spontanität und die technische Brillianz eines Vincent Herring aufweist. Aber sicher haben das die Musiker alle gewußt. Es werden zwar (fast) ausschließlich Themen aus der Karriere des legendären Quintets der 50iger und 60iger Jahre zelebriert, aber Leichenfledderei und Diebstahl wäre das Letzte, was man allen Beteiligten vorwerfen dürfte. Der Fernsehauftritt im Kölner Subway ist mir noch in guter Erinnerung; technisch und musikalisch ergiebiger ist jedoch dieser Mitschnitt aus dem Moonwalker Club. Das Geld für die 52 bzw. 67 Minuten ist gut angelegt, dafür bekommt man heißen Hardbop, schmachtige Balladen, Musik für die Beine und die Seele. Eine Empfehlung, ob CD oder LP zu empfehlen ist, verkneife ich mir: Fast immer bevorzuge ich die LP, aber auf "Autumn leaves" verzichten müssen, ist schon beinahe Konsumverzicht.

alle Kritiken Dr.Michael Frohne


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen