Montag, 18. Januar 2010

CAB CALLOWAY

Wenn von Cab Calloway gesprochen wird, prallen die Ansichten der Jazzfreunde besonders hart aufeinander. Die einen sind der Ansicht, Calloway sei einer jener Schlagersänger, die den Scat-Vocal publikumswirksam mißbrauchen und passe daher eher in den Rahmen einer Show-Veranstaltung - andere wiederum finden seinen Gesang recht originell und sehen in ihm auch einen Orchesterleiter, der vermochte, guten Bigbandjazz einem größeren Publikum nahezubringen. Calloway war dabei in der Wahl seiner Musiker ziemlich kompromißlos, so verpflichtete er auch junge Jazzer wie Dizzy Gillespie, denen er damit zu einem guten Start verhalf. Über Calloways Gesang läßt sich streiten - das gebe ich gerne zu -aber über die Qualität seiner Bands läßt sich nur Gutes sagen.

Calloway wurde am 24. 12. 1907 in Rochester/New York geboren. Seine vermögende Familie ermöglichte ihm das Jura-Studium nach der Übersiedlung nach Chicago. Cab fand jedoch bald mehr Geschmack am Nachtleben Chicagos und an der Musik selner Schwester Blanche, so daß er sein Studium frühzeitig aufgab. Blanche Calloway stellte übrigens damals eine eigene Bigband von besonderem Reiz auf, gelangte jedoch nur in der Zeit der 78er Schellacks zu einem gewissen Ansehen, was von der Qualität der Aufnahmen her betrachtet ziemlich unverständlich erscheint.

Angeregt durch seine Schwester trat Cab als Steptänzer und zunächst sentimentaler Sänger in den diversen Theatern und Lokalen des Chicagoer Negerviertels auf. Anfang 1928 holte ihn Marion Hardy in das Semi-Jazz-Orchester "The Alabamians". Sein Erfolg wuchs, als er in den "Savoy Ballroom" in New York verpflichtet wurde und zum erstenmal vor größerem Publikum spielte und sang. Als sich das Orchester auflöste, sah sich Cab nach einer anderen Band um, die womöglich jazziger spielte. Er hatte sein Herz für den Jazz entdeckt und war sich bewußt geworden, daß dies die Musik sei, in der sich der Neger am besten ausdrücken kann.

Da Cab wie die meisten Showkünstler der Schwarzen einen Hang zur Clownerie zeigte, entdeckte er, daß man aus den Tagesschlagern und Jazznummern mehr machen konnte. Mehr in punkto Originalität und Popularität - ähnlich wie es die Herren Armstrong und Co. taten, aber nun ohne etwa Satchmo, der gerade zum "größten Trompeter der Welt" gekürt wurde, zu imitieren. Cab hatte Glück. Eine hervorragende Jazzband aus dem Mittelwesten - Musiker aus St. Louis und Kansas City - war in den Norden bzw. Nordosten gezogen, um zu Ruhm und Ansehen zu gelangen. Nun stand sie kurz vor dem Bankrott. Die Konkurrenz war hier nun doch zu groß geworden, trotz der Nachfrage nach neuen Namen, neuen Bands.

Cab Calloway übernahm die Band unter der Bedingung, daß sie ihn zu seinen Song-Shows begleitete. Ansonsten, was das Instrumentale betrifft, ließ er den Musikern völlig freie Hand. So ergibt sich das unwahrscheinliche Bild, daß ein kommerzieller Sänger von einer exzellenten, hart zwingenden Bigband begleitet wurde. Solostellen gab es genügend in den Arrangements. Der größte Manager des Musikgeschäftes jener Zeit, lrving Mills, nahm Cab Calloway unter seine Fittiche. Die Band setzte sich zusammen aus den Trompetern R.Q. Dickerson, Lamar Wright, Reuben Reeves, den Posaunisten DePriest Wheeler, Harry White, den Blattbläsern William Blue (clt, alt), Andrew Brown (alt), Walter Thomas (tenor), am Klavier saß Earres Prince, Charley Stamps spielte Banjo, der Bassist war Jimmy Smith (auch Tuba) und LeRoy Maxey bearbeitete das Schlagzeug.

"Minnie the Moocher", aus der Zusammenarbeit von Calloway mit Irving Mills entstanden, löste eine ganze Welle von novelty-scat-songs aus: "Six or seven times", "You rascal you", "Aw You dawg", "Kickin' the gong around", "Tickeration", alle 1931 auf Schellack gebannt. Später folgten "The Scat song", "Jitter bug", "Hotcha razz-ma-tazz" und andere.

Cab Calloways Band meisterte in oft unwahrscheinlichem Tempo und mit der Präzision eines Uhrwerks die schwierigsten Passagen. So war es kein Wunder, daß die von Calloway geleiteten "Missourians" 1933 das Orchester Duke Ellington im Cotton Club ablösten. Der Duke war gerade zum sentimentalsten aller Jazzer geworden, d.h. seine Band stand in punkto Hot-Jazz auf einem Tiefpunkt, hervorgerufen durch Dukes "sophisticated music", und so kam der "frische Wind", den Calloway und seine Band im Cotton Club entfachten, dem verwöhnten Publikum dort gerade recht. Zu erwähnen wäre noch, daß sich Calloway auch einmal an eine Nummer des Duke heranmachte und zwar gleich an eine der berühmtesten: "Mood Indigo" (1931). Nun ist es meiner Ansicht nach so: Ellingtons Mood-Stücke, die alle kleine Kunstwerke darstellen, werden durch andere Interpreten meist zu sentimentalen Schnulzen (wenige Außnahmen bestätigen die Regel). Calloway entging dieser Gefahr bei Mood Indigo, indem er das Stück schneller spielen und die Klarinette etwas "bissiger" blasen ließ. So wurde diese rein instrumentale Einspielung Calloways zu einer seiner besten in jenen Tagen. Es kam zu einer zwar etwas groberen Fassung als der Ellingtons, aber sie ist doch auch jazzgemäß.

Ab 1933 traten personelle Veränderungen im Orchester ein, die bis zur Auflösung im Jahre 1948 nicht abrissen. Eddie Barefield war der Hauptarrangeur der Band Mitte der 30er Jahre. Vom robusten Swingstil der Missourians wurde mehr und mehr Abstand genommen und man geriet ins Fahrwasser der vielen schwarzen Swingbands, die sich durch weiße Vorbilder angeregt, zu einer kommerzielleren Form des Jazz veranlaßt sahen. Ich möchte hier auf die Orchester von Willie Bryant, Claude Hopkins, Chick Webb und Jimmie Lunceford - vor allem zwischen 1934 und 1936! - hinweisen, die "weißer", d. h. mehr "sophisticated" waren, als die damaligen weißen Bands von Frankie Trumbauer oder Bob Crosby, obwohl auch diese nicht rauh, aber zumindest ziemlich unsentimental und rhythmisch "heiß" spielten. Wenn sie nicht gerade einen Pop-Sänger oder Sängerin zu begleiten hatten.

Doch Cab Calloway folgte nicht unbedingt dem Trend der Zeit: er wollte ja schon immer populäre, aber jazzige Tanzmusik machen. Er tat es mit den besten Resultaten. Doc Cheatham, Mario Bauza, Jonah Jones, Dizzy Gillespie, Trompeten, Claude Jones, Keg Johnson, Tyree Glenn, Quentin Jackson, Posaunen, Chu Berry, Ted McRea u. a., Saxophone, Benny Payne, Piano und Vocal, Milt Hinton, Baß, und Cozy Cole, bzw. J.C. Heard, Schlagzeug, waren die wichtigsten Mitglieder des Orchesters von Cab Calloway zwischen 1933 bis 1948. Benny Carter, Buster Harding, Dizzy Gillespie und Andy Gibson schrieben in diesen Jahren die meisten Band-Arrangements für Cab. Die Sängerin Sister Rosetta Tharpe sorgte für den Blues, Calloway sang nun nicht mehr so häufig wie früher. "A ghost of a chance" wurde Chu Berrys Meisterwerk, mit dem er in die Klasse des Meisters am Saxophon, Coleman Hawkins, aufrückte. Chu Berry bildete innerhalb des Calloway-Orchesters eine kleinere Band, die "Stompy Stevedores", die zu den besten Jazzgruppen gehört.

Selbstverständlich durften nun die obligaten Drumsolos nicht fehlen. Was Gene Krupa für Goodman war, wurde Cozy Cole für die Calloway-Band. "Crescendo in drums" und "Ratamacue" liefern den "schlagenden" Beweis. Nach 1948 trat Calloway mit Combos in Nightclubs auf, bis er 1951 wieder eine neue Bigband formierte, mit der er eine erfolgreiche Südamerika-Tournee absolvierte. 1952 wurde Cab der Sportin' Life in George Gershwins Negeroper "Porgy and Bess". Er wurde der Welterfolg eines schwarzen Opern-Ensembles. Ab 1954 gastierte Cab wieder mit einem Quartett in Nightclubs. Vor kurzem gründete er erneut eine Bigband. Calloway ist eine große Persönlichkeit mit Esprit und Witz. Er ist Vollblutkomödiant und hat auch in diversen Filmen mitgewirkt. In der Jazzgeschichte wird er als Bigband-Leiter und Mister Hi-De-Ho unvergessen bleiben.

Rudolph Hopf (+)

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